GESTE – MASKE – TANZ

Ausstellung im Museum Heppenheim März/April 2020

Nur sehr wenige hatten wegen der Corona-Krise bislang das Glück, die interessante Ausstellung sehen zu können. Nun ergibt sich noch eine Chance, und die Schau geht in die Verlängerung bis zum 28. Juni. Ab wann das Museum wieder besucht werden darf, ist allerdings ungewiss. Einstweilen finden Sie hier einen kleinen Einblick in die Ausstellung.


Leo Grewenig, Figurine, um 1925 (Rekonstruktion von Heinz Frassine)
Foto: klg-bergstrasse, CC BY-ND 4.0

Den Anstoß für die Idee zu dieser Ausstellung gab die Figurine, die Leo Grewenig in seiner Bauhaus-Zeit gestaltet hatte. In höchstem Maß abstrahiert, ist der Bezug zum Motiv des Tanzes unübersehbar. Anlass für unseren Vereinsvorsitzenden Erich Henrich, dem Thema einen intensiven Blick zu widmen:

Ausdruckstanz

Zwischen 1900 und 1920 befreiten Rudolf von Laban (1879-1958) und Mary Wigman (1886-1973) den Tanz von den Fesseln der Musik und entwickelten den modernen Ausdruckstanz. Im individuellen Mikrokosmos der tänzerischen Bewegung sollte nun der Makrokosmos des menschlichen Seins erlebt und ausgedrückt werden. Laban und Wigman machten den Tanz damit zu einer freien künstlerischen Disziplin.




Der berühmteste Tanz von Mary Wigman ist der „Hexentanz“, den sie 1914 erstmals aufführte.

Gret Palucca (1902-1993), eine Schülerin von Mary Wigman, wurde bald eine der führenden Ausdruckstänzerinnen. 1925 gründete sie in Dresden ein eigenes Tanzinstitut. Sie war befreundet mit Wassily Kandinsky und Paul Klee und trat 1925 zum ersten Mal am Nationaltheater in Weimar auf. An der Veranstaltung nahmen zahlreiche Meister und Schüler des Bauhauses teil. Kandinsky schrieb zwei Aufsätze über Palucca, die zu ihrer wachsenden Bekanntheit beitrugen.

In seinem Buch “Punkt und Linie zu Fläche”, 1926 als Band 9 der “Bauhaus-Bücher” erschienen, analysierte Wassily Kandinsky die Funktion des Punkts im Tanz wie in der Malerei und der Musik.

Loheland

1919 wurde die Siedlung Loheland als „Schule für Körperbildung, Landbau und Handwerk“ in der Nähe von Fulda gegründet. Mit dem Schwerpunkt auf Gymnastik und Tanz wurden dort ausschließlich Frauen unterrichtet. Es gab aber auch Werkstätten für Handweberei, Textil- und Lederbearbeitung, eine Korbflechterei, eine Schreinerei, eine Töpfer- und eine Lichtbildwerkstatt.

In der Ausstellung dokumentieren viele Originalfotos die Tanzaufführungen der Loheland-Schülerinnen in selbstgenähten Kostümen.
Foto: klg-bergstrasse, CC BY-ND 4.0

Die Loheland-Tänzerinnen trugen bei ihren Auftritten selbst gestaltete Kostüme aus verschiedenen Materialien. Sie betonten den Körper und steigerten die Aussagekraft des jeweiligen Tanzes. Neben dem Ausdruckstanz wurde in Loheland auch das Maskentheater mit selbst hergestellten Masken gepflegt.  Von Anfang an haben die “Loheländerinnen“ ihre Tänze fotografiert.

Oda Schottmüller

Die Tänzerin Oda Schottmüller (geb. 1905) besuchte von 1922 bis 1924 die Odenwaldschule. Ihre Tänze hatten einen expressiven Charakter und wirken teilweise beklemmend und unheimlich. Oda Schottmüller wurde als Widerstandskämpferin gegen das Nazi-Regime zum Tode verurteilt und am 5. August 1943 im Gefängnis Berlin/Plötzensee enthauptet.

Über den Dächern: Die beiden Fotos des ungarischen Künslters Gyula Pap zeigen Oda Schottmüller 1932 beim Maskentanz “Rêve” an der Johannes-Itten-Schule in Berlin auf einer ungewöhnlichen Tanzbühne (Leihgabe Dr. Uwe Emig).

Masken

Oda Schottmüller verwendete häufig selbstgefertigte Masken und verknüpfte damit den Tanz mit der Bildhauerei. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hatten sich Europas Völkerkundemuseen mit Objekten aus Afrika und Ozeanien gefüllt, darunter viele Masken, die die Künstler unterschiedlichster Stile und Disziplinen inspirierten.

Oda Schottmüller mit selbst gefertigter Maske – Detail aus einer Fotografie von Gulya Pep (Leihgabe Dr. Uwe Emig).

Gertrud Arndt

Gertrud Arndts Maskenfotografien sind frühe Beispiele fotografischer Selbstinszenierung. Getrud Arndt (geb. 1903, gest. 2000 in Darmstadt) studierte 1923 bis 1927 am Bauhaus. Ihr Interesse am Gesicht und dessen Ausdrucksvielfalt ließ sie Variationen von Verkleidung und Mimik austesten und die Möglichkeiten von individueller Physiognomie, von Rollenvorstellungen und diversen Identitäten erkunden. Die Maske ist in diesem Fall das eigene Gesicht: “Was ist man? … Vielleicht hat man immer eine Maske … Du bist doch immer wieder anders, so vielerlei. Irgendwo hat man immer einen Ausdruck, den man haben will. Das könnte man doch Maske nennen.“

Gertrud Arndt: Maskenfoto Nr. 39 (li) und Nr. 38, Dessau, 1929/30
© Hugo Arndt

Ob und unter welchen Bedingungen die Ausstellung doch noch zu besuchen sein wird, erfahren Sie auf dieser Webseite und beim Museum Heppenheim.