Henry Moore

Generation Grewenig

Henry Moore, Reclining Figure, 1984 (monumentale Interpretation in Fiberglas einer kleinen Bronze aus dem Jahr 1938)
Foto: Andrew Dunn CC BY-SA 2.0

Der große englische Bildhauer und Zeichner Henry Moore (1898-1986) wurde im selben Jahr wie Leo Grewenig geboren. Anders als dieser hielt er zeitlebens am Vorbild der menschlichen Figur, insbesondere des weiblichen Körpers, fest. Gleichzeitig sind seine Plastiken schon früh stark abstrahiert. Wer mag, findet überraschende Parallelen in manchen organisch fließenden Formfindungen Leo Grewenigs der 1950er-Jahre.

Leo Grewenig, Wesenhaftes Gebilde, 1959: Im Grunde könnte man kaum weiter auseinander liegende Kunstwerke finden als Grewenigs Tuschzeichnung und Moores monumentale Plastik, so unterschiedlich sind Dimension, Genre, Technik und wohl auch Intention. Aber gibt es vielleicht doch Parallelen im Verständnis des Raums, in der Einbeziehung von Leere und einem Interesse für das Zerfließen der Formen? Foto: Leo-Grewenig-Archiv, Bensheim

Ebenso wie Leo Grewenig stammte Moore aus einer Bergbauregion. Gegen den Willen der Eltern nahm er ein Kunststudium an der Leeds School of Art auf (seit 1919), später am Royal College of Art in London (seit 1921). Geprägt von der Begegnung mit afrikanischen Skulpturen und avantgardistischen Bildhauern wie Constantin Brâncuși, fand Moore schnell zu einer eigenwilligen Ausdrucksform.

Seine Nachbarschaft mit dem Kunstkritiker Herbert Read im Londoner Künstlerviertel Hampstead, wo Moore seit 1929 lebte, trug bald zur Bekanntheit des Künstlers in der britischen Öffentlichkeit bei: Read schrieb häufig über die Arbeiten Moores. Reisen nach Paris und persönliche Begegnungen mit Picasso, Braque oder Giacometti sowie den Surrealisten beeinflussten Moore weiter.

Der Zweite Weltkrieg unterbrach das künstlerische Schaffen Moores. Während bei Leo Grewenig Nationalsozialismus und Krieg eine deutliche Zäsur in der Künstlerkarriere bedeuteten, steigerte sich Moores internationale Bekanntheit aber durch den Krieg: Seine Zeichnungen von Menschen, die in der Londoner U-Bahn Schutz vor den Bombardements suchten, wurden weltberühmt. Nach dem Krieg widmete das New Yorker MoMA Moore eine Ausstellung. 1948 erhielt er den Preis für Bildhauerei der Biennale von Venedig.

1950 schuf Moore seine erste Großplastik – ein Genre, dem er fortan treu bleiben sollte und das seinen Ruhm nachhaltig verfestigte, sind doch unzählige seiner Skulpturen im öffentlichen Raum der ganzen Welt verteilt. Symptomatisch für das im Werk schon früh angelegte Potenzial für das große Format ist die abgebildete “Reclining Figure”. Mit dieser monumentalen Fiberglas-Plastik wiederholte Moore eine Kleinbronze aus dem Jahr 1938 – mit nur geringen Veränderungen.