Alexander Calder

Generation Grewenig

Auch ein zweiter bedeutender Bildhauer der Klassischen Moderne, der Amerikaner Alexander Calder (1898-1976), wurde im selben Jahr wie Leo Grewenig geboren.

Alexander Calder entstammte einer bedeutenden Bildhauerfamilie aus der Nähe von Philadelphia. Er absolvierte zunächst ein Ingenieurstudium und begann seine kreative Arbeit als Autodidakt, bevor er sich durch Zeichenkurse eine gestalterische Grundausbildung erwarb.

1926 zog Calder nach Paris und fand hier rasch Anschluss an die künstlerische Avantgarde. Hier entstanden die ersten bemalten „Mobiles“ aus gebogenen Drähten und Metallscheiben in einer einfachen abstrakten Formensprache. Durch seine Mobiles erlangte Calder später Weltruhm und wurde zum Pionier der kinetischen Plastik. Parallel dazu fertigte er auch statische Objekte aus verschraubten Metallplatten, die sog. „Stabiles”.

Alexander Calder, Flamingo, 1974, Chicago, © via Wikimedia Commons, CC by 2.0

Mobilität und Veränderlichkeit bilden die wesentlichen ästhetischen Prinzipien der Calderschen „Mobiles“. Die Formen drehen sich im dreidimensionalen Raum und im Umschreiten der kreisenden Formen durch den Betrachter entsteht eine doppelte Bewegung in der Zeit: „Alles fließt“ und nichts ist beständig.

Alexander Calder, The Tree, 1966, Fondation Beyeler, Riehen © via Wikimedia Commons, CC by-SA 3.0

Auch in vielen Arbeiten von Leo Grewenig werden die Prinzipien von Bewegung und Veränderung zu konstituierenden Faktoren bei der Rezeption seiner Bilder. Auch Grewenig versetzt Formen in Bewegung, die zunächst der starren zweidimensionalen Bildfläche verhaftet bleiben.

Leo Grewenig, Tempeluhr, 1970 © Leo-Grewenig-Archiv Bensheim

Es ist der Betrachter, der durch einen „Spaziergang mit den Augen“ in den Formen und Strukturen der Grewenigschen Bilder die komplexen Bewegungsströme und Rhythmen entdecken und nachvollziehen muss, die ihm der Künstler als Möglichkeit anbietet. Auch dieser Vorgang vollzieht sich in der Zeit, die als Konstante in vielen  Grewenigschen Bildern eine wesentliche Rolle spielt.

Mit der Einbeziehung einer Raum-Zeit-Relation spiegelt sich in den Arbeiten von  Alexander Calder und Leo Grewenig eine elementare Erfahrung der Moderne.

Die zweite wichtige Parallele zwischen Calder und Grewenig ist die Lust am Experiment. Bis ins hohe Alter experimentieren beide unablässig und mit großer Entdeckerfreude, wobei Calder vielfältige Materialien erprobt, während Grewenig die Grenzen der malerischen Techniken auslotet.

Es gibt also etliche Entsprechungen zwischen den beiden gleichaltrigen Künstlern. Lediglich in der Komplexität der Formensprache und der Verwendung der Farbe  unterscheiden sie sich stärker. Calders Formen sind einfach und klar konturiert. Grewenigs Formen und Strukturen sind häufig von einer nahezu unüberschaubaren Vielfalt. Man kann sich leicht verirren im Labyrinth seiner Gebilde.

Leo Grewenig, Schwingungen, 1971 © Leo-Grewenig-Archiv Bensheim

Während Calder seine Plastiken oft in den Primärfarben Rot, Gelb und Blau bemalt und sie damit bunt und auffällig gestaltet, verwendet Grewenig in seinen Bildern eine eher gebrochene und gedämpfte Palette. Vielleicht zeigt sich in der unterschiedlichen Verwendung der Farbe auch ein Unterschied in den Persönlichkeiten der beiden Künstler. Calder wird als extrovertiert beschrieben, Leo Grewenig erscheint eher still und zurückhaltend.