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Exkursionen

Frühjahrsexkursion 2018

Saarbrücken

Das  “Museum ist ein Ort der Debatte, des Diskurses, wo wirklich nicht einfach ein Konsens gesucht wird” – so steht es auf der Boden vor dem Eingang der Modernen Galerie des Saarlandmuseums in Saarbrücken. Der Satz stammt aus der zum Teil heftigen Kontroverse, die um den Neubau des Museums geführt wurde und ist mit einer schier unüberschaubaren Zahl von weiteren Zitaten aus der Diskussion in einem fortlaufenden Band zu lesen, nicht nur auf der das Haus umgebenden Fläche, sondern auch auf den Außenwänden. Das kubische Gebäude-Ensemble der Modernen Galerie des Saarlandmuseums in Saarbrücken galt mit seiner in die Stadtlandschaft eingebundenen, modulhaften Architektur seit der Eröffnung in den 1960er-Jahren geradezu als eine Ikone des Museumbaus im Nachkriegsdeutschland. Die in diesem Jahrtausend geplante Erweiterung geriet zum Desaster, das Politik und Öffentlichkeit jahrelang in Atem hielt und unter anderem explodierende Kosten, Fälle von Veruntreuung und Korruption, einen gefeuerten Museumsdirektor, zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse und eine Bürgerinitiative gegen die erforderliche Opferung einer Grünfläche in der Stadtmitte mit sich brachte. Im November 2017 konnte jedoch der neue Anbau endlich eröffnet werden.

Das Saarlandmuseum in Saarbrücken. Foto: KLG-Bergstraße, CC BY-ND 4.0

Jetzt führte die Frühjahrsexkursion der Kulturinitiative Leo Grewenig (KLG) mit rund 30 Teilnehmern nach Saarbrücken. Die Moderne Galerie des Saarlandmuseums besitzt durch eine Schenkung der Erben des Künstlers etwa 170 Werke des 1991 in Bensheim gestorbenen Leo Grewenig. Eines davon, \”Winterlandschaft mit Schlittenfahrern\” aus dem Jahr 1925, ist als Teil der ständigen Ausstellung zwischen zwei Arbeiten von Karl Hofer und Otto Dix zu sehen. Schon 1975 hatte es im Saarlandmuseum eine große Retrospektive des Künstlers gegeben. Auf Vermittlung von Waltrud Hölscher, der Tochter Leo Grewenigs,  führte Dr. Roland Mönig, seit 2013 Museumsleiter und zugleich Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, die Bergsträßer Gruppe durch die Sammlungen. Er erläuterte auch das architektonische Konzept, durch das in Kooperation des Architekturbüros Kuehn Malvezzi mit dem Künstler Michael Riedel das Vorhaben des Erweiterungsbaus zu einem guten, weithin akzeptierten Ende fand.

Die Freiflächen zwischen den Baukörpern sind betont und verschränken das Museum mit der Stadt. Das Museum, so schon der gestalterische Gedanke der 1960er-Jahre, tritt als skulpturaler Körper in Dialog mit der umgebenden Landschaft. Michael Riedel hat den Außenraum mit einer rund 4.000 m² großen Arbeit gestaltet. Es ist ein Boden voller Buchstaben und Textbänder, die sich hoch über die Wände ziehen: das Protokoll einer Landtagsdebatte über das Museum.

Teilnehmer der Exkursion in einer temporären Installation im Saarlandmuseum. Foto: KLG-Bergstraße, CC BY-ND 4.0

Im Innern warteten auf die Exkursionsteilnehmer sehr großzügig gestaltete, lichtdurchflutete Räume mit reizvollen Blicken ins Grüne – vor allem aber mit einer Auswahl hochkarätiger Kunstwerke, die von einer außergewöhnlichen Sammlungsgeschichte zeugen. Die grenznahe Lage Saarbrückens, die starke Beeinflussung durch französische und deutsche Strömungen zugleich sowie nach dem Zweiten Weltkrieg die Konzeption des Saarlands als zunächst autonomes Staatsgebilde prägen die reichen Bestände vom Impressionismus bis zur Gegenwart. Schwerpunkte bilden die Berliner Secession und der deutsche Expressionismus, aber auch die Kunst der École de Paris und des Informel. Nicht zuletzt befinden sich in Saarbrücken viele Werke des Bildhauers Alexander Archipenko, der das Saarlandmuseum zum Erben seiner Gipsmodelle eingesetzt hatte.

Der Erweiterungsbau ermögliche es nun, auch aktuelle Kunst zu sammeln und zu zeigen, erklärte Dr. Roland Mönig. Jetzt könne man auch den neuen Großformaten und dem digitalen Zeitalter gerecht werden. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür bekamen die Bergsträßer mit der temporären Raumgestaltung der amerikanischen Künstlerin Pae White , die sie eigens zur Wiedereröffnung der Modernen Galerie realisierte. Die flächige Gestaltung der Böden, Decken und Wände und die raumdurchschneidende Anordnung von farbigen Wollfäden in dem viele Meter hohen Erweiterungsbau erforderte eine präzise Planung mit digitalen Mitteln.

Ein Denkmal ganz anderer Art besuchte die Gruppe im zweiten Teil der vom ersten Vorsitzenden der KLG Erich Henrich organisierten und geleiteten Exkursion: Die nahe bei Saarbrücken gelegene UNESCO-Weltkulturerbestätte „Völklinger Hütte“, 1873 gegründet und 1986 stillgelegt, zeugt als einzigartiges, noch im Originalzustand erhaltenes Eisenwerk von der Geschichte der industriellen Roheisenerzeugung.

Führung Völklinger Hütte Foto: KLG-Bergstraße, CC BY-ND 4.0