Kategorien
Schwarzes Brett Vorträge und Lesungen

Konkrete Kunst im Portemonnaie

Vortrag von Dr.Theres Rohde im Museum Heppenheim
von Erich Henrich

Konkrete Kunst ist die Schnittmenge zwischen „Kann ich auch“ und „Verstehe ich nicht“ – die Postkarte mit dieser Aussage ist die am meisten verkaufte im Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt.

Mit dieser ironischen Bemerkung eröffnete die Direktorin des Hauses, Dr.Theres Rohde am Dienstagabend ihren Vortrag zum Thema „1+1 = 2? Vom schwierigen Versuch die Konkrete Kunst und deren Gesetzmäßigkeiten zu erklären“, der am Dienstagabend zahlreiche Besucher in den Marstall des Kurmainzer Amtshofs lockte. Sie war auf Einladung des Museums und der Kulturinitiative Leo Grewenig nach Heppenheim gekommen, um im Rahmen des Begleitprogramms zur laufenden Sonderausstellung über Konkrete Kunst zu referieren.

Vortrag von Dr, Theres Rohde im Marstall Heppenheim
Fotos: klg-bergstrasse, CC BY-ND 4.0

Und sie begann ihre Ausführungen auch gleich mit dem „Urknall“ der Moderne, dem berühmten „Schwarzen Quadrat auf weißem Grund“ von Kasimir Malewitsch, einer Ikone des 20. Jahrhunderts. Malewitsch vollzog 1915 mit diesem Bild einen konsequenten Bruch mit allem bisher Dagewesenen und setzt sich radikal von Realismus, Impressionismus und Expressionismus ab. „Man muss ihn mit damaligen Augen sehen“, betonte Frau Dr. Rohde und wies damit auf den Schock hin, den die totale Gegenstandslosigkeit von Malewitsch’s Bild bei den Zeitgenossen auslöste.

Über die Konstruktivisten und das Bauhaus führte sie die Zuhörer dann zur Künstlergruppe De Stijl um Piet Mondrian und zu Theo van Doesburg, der zum ersten Mal den Begriff Konkrete Kunst in die Kunstgeschichte einführte. „Das Kunstwerk darf nichts von den formalen Gegebenheiten der Natur enthalten. Das Bild muss ausschließlich aus Flächen und Farben konstruiert werden. Denn nichts ist konkreter, wirklicher, als eine Linie, eine Farbe, eine Oberfläche. Deshalb Konkrete und nicht abstrakte Malerei“, schrieb van Doesburg 1930 in einem programmatischen Manifest.

Mit den „Züricher Konkreten“ Max Bill und Richard Paul Lohse erfolgte dann in den 40er und 50er Jahren eine Hinwendung zu mathematisch betonten Bild-Konzepten und seriellen Prinzipien. In einem Exkurs ging Frau Dr. Rohde auch kurz auf die Rolle der Mathematik in der Kunst ein und verwies damit auf die Ausstellung, die gerade diesen Aspekt in den Vordergrund stellt. An einem Bild von Richard Paul Lohse erläuterte sie die gesellschaftlich- demokratischen Zielsetzungen, die Lohse in seiner Kunst verfolgt. Und schließlich war es Max Bill, der als Künstler, Designer, Architekt, Grafiker und Hochschullehrer den Bogen von der reinen Kunst zur Umweltgestaltung spannt, denn viele Möbel und Gebrauchsgegenstände, vor allem der 60er und 70er Jahre, zeigen die minimalistische Gestaltungsweise der Konkreten Kunst.

„Viele von Ihnen tragen ein Stück Konkrete Kunst in ihrer Hosentasche“ behauptete die Referentin scherzhaft und verblüffte damit zunächst die Zuhörer. Denn das Logo der Deutschen Bank, das auf vielen Scheckkarten zu finden ist, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als angewandtes Beispiel dieser Kunstrichtung. Der Grafiker Anton Stankowski, der ebenfalls im Bereich der freien Gestaltung tätig war, hat in minimalistischen Kürzeln mit nur wenigen Linien der Deutschen Bank ein Gesicht gegeben, das heute weltweit auch ohne Schriftzeichen verstanden wird. In diesem Sinne, betonte Frau Dr. Rohde, wird sich auch das Museum für Konkrete Kunst (MKK) in Ingolstadt nach dem Umbau, der gerade im Gange ist, zum MMKD (Museum für Konkrete Kunst und Design) wandeln. Denn Konkrete Kunst ist kein historisches Phänomen, sondern ist in der Kunst, im Design und der Umweltgestaltung auch in der Gegenwart noch vielfältig vorhanden. Dazu bedarf es aber eines erweiterten Blickwinkels. Und anhand einiger Ausstellungen ihres Museums der letzten Jahre gab sie einen Ausblick auf die Möglichkeiten der Konkreten Kunst heute.

Das schwierige Thema vermittelte Frau Dr. Rohde auf amüsante und unterhaltsame, aber immer informative und zum Reflektieren und Nachdenken anregende Art und Weise. Die Zuhörer dankten ihr mit lange anhaltendem Applaus und beteiligten sich rege an der anschließenden Diskussion – insgesamt ein gelungener Auftakt der Begleitveranstaltungen zur Ausstellung „1+1 [konkret] Bilder und Objekte von Heinz Nickel und Hubert Zimmermann“. Der zweite Vortrag von Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher zum Thema „Rund um Kreise und Quadrate“ findet am Mittwoch, dem 29.3.2023 um 19.00 Uhr ebenfalls im Marstall des Kurmainzer Amtshofs in Heppenheim statt.