Mit 33 Teilnehmenden startete die diesjährige, dem Werk von David Chipperfield gewidmete Herbstexkursion der Kulturinitiative Leo Grewenig (KLG) am zweiten Novemberwochenende in nebliger Stimmung. Die Sonne sollte sich erst nachmittags in Marbach zeigen.
Einige Impressionen von der Fahrt:
Erstes Ziel war jedoch das Museum Würth 2 in Künzelsau, rund 500 Meter vom Hauptverwaltungssitz der Würth-Gruppe entfernt. Der schwäbische Schraubenhändler Reinhold Würth ist einer der reichsten Menschen der Welt und einer der bedeutendsten Kunstsammler, auch, was seine Inszenierung als Förderer der Kunst betrifft. Würth besitzt nicht nur die größte Kunstsammlung Europas, er stellt sie auch aus und zwar für jedermann zugänglich und kostenlos. Die Zahl der von Würth betriebenen Ausstellungshäuser wächst stetig. Den Anfang machte 1991 das Museum Würth in den Verwaltungsräumen der Adolf Würth GmbH & Co. KG. Inzwischen gibt es weitere Museen an den Firmensitzen in Dänemark, Österreich, Holland, Norwegen, Italien, Belgien, Frankreich und Spanien. 2017 wurde das vom britischen Star-Architekten David Chipperfield entworfene Carmen Würth Forum als Kongress- und Kulturzentrum direkt gegenüber der Firmenzentrale der Adolf Würth GmbH & Co. KG eröffnet – auf einer Fläche von 170 000 Quadratmetern mit einem Kammermusiksaal für 600 Personen, einem Saal für 2500 Personen und einem Außengelände für Veranstaltungen mit bis zu 10 000 Personen. Seit 2020 wurde der Komplex um einen Konferenzbereich und um ein Museum erweitert, geplant ebenfalls von David Chipperfield. Diesem Museum und dem die Gebäude umgebenden Skulpturengarten galt der erste Teil der Herbstexkursion.
Zwei parallele Gruppenführungen stellten einerseits die von Chipperfield bewusst „wie ein Gedankenstrich in die Landschaft gesetzte“ Architektur mit ihren zwar äußerst vereinfachten, doch unübersehbar von klassisch-antiken Traditionen geprägten Formen vor. Ein Rundgang führte auch durch die aktuelle, immer wieder modifizierte Ausstellung aus der umfangreichen Sammlung. Ein Highlight war das erst vor zwei Jahren aus Privatbesitz wieder aufgetauchte „Selbstbildnis gelb-rosa“, das Max Beckmann 1943 im Exil gemalt hatte. Im Dezember 2022 erwarb es Reinhold Würth mit einem anonymen Gebot über 20 Millionen Euro bei einer Versteigerung im Auktionshaus Villa Grisebach. Damit ist das knapp einen Meter hohe Ölbild das teuerste bislang in Deutschland versteigerte Gemälde.
Eindruck machte auch ein großer, den Riesenformaten von Anselm Kiefer gewidmeter Raum, der mit einer multimedialen Kabinettausstellung ergänzt wurde. Bisher weitestgehend unbekannt und nun erstmalig in diesem Umfang präsentiert waren hier illustrierte Berichte und Tagebücher von zwei Studienreisen Anselm Kiefers in den 1960er Jahren, mit überraschenden Perspektiven zur Persönlichkeit und künstlerischen Selbstfindung Kiefers.
Im Skulpturengarten begegnete die Gruppe unter anderem dem aktuellen Preisträger des von der Stiftung Würth ausgeschriebenen Robert-Jacobsen-Preises Ugo Rondinone. Der in New York lebende Schweizer Künstler präsentiert hier Kunstwerke in einer überraschenden stilistischen Bandbreite, von einem gigantischen Steinriesen über den Abguss eines uralten Olivenbaums bis zu einem grotesk wirkenden Kreis aus in Aluminium gegossenen fratzenhaften Köpfen, die zwölf Monate des Jahres symbolisierend.
Durch eine beeindruckend schöne Herbstlandschaft fuhr der Bus dann nach Marbach am Neckar, wo das ebenfalls von David Chipperfield geplante Literaturmuseum der Moderne seit dem Jahr 2006 die Bestände des Deutschen Literaturarchivs in Wechselausstellungen präsentiert. Aktuell allerdings findet sich hier provisorisch die alte Dauerausstellung des benachbarten Schiller-Nationalmuseums mit den „vier Schwaben“ – Schiller, Hölderlin, Kerner und Mörike. Das Schiller-Nationalmuseum ist zurzeit geschlossen und wird im Mai 2025 mit neuer Ausstellung wiedereröffnet. Anlässlich von Franz Kafkas 100. Todestag im Juni 2024 wird hier außerdem eine Sonderausstellung gezeigt, die Manuskripte, Briefe, Fotos und Erinnerungsstücke von Kafka mit Rezeptionsspuren seiner Literatur bis zur Gegenwart kombiniert. Deutlich wurden den Exkursionsteilnehmern die Schwierigkeiten bei der Präsentation der äußerst kleinteiligen, licht- und temperatur- und feuchtigkeitsempfindlichen Exponate. Der durch Dunkelheit und Kühle bedingten „Kelleratmosphäre“ begegnet die Architektur mit einer großen Raumhöhe und der teilweisen Öffnung zum Neckartal, über dem das ganze Gebäude mit seinem ähnlich klassisch wie in Künzelsau anmutenden Säulenumgang thront.